Aufbau des Auges

Das erste Querschnittsbild zeigt den Aufbau des Mückenauges als sogenanntes Komplexauge, einem Komplex oder einer Zusammenfassung von einer Vielzahl von gesondert nebeneinander bestehenden optischen Einheiten. Diese optischen Einheiten besitzen alle eine eigene Linse; sie sind im Bild rot gefärbt. Der Aufbau der einzelnen Einheiten, die man Ommatidien nennt, wird im Zusammenhang mit dem nächsten Bild erläutert.

Die Oberfläche des gesamten Auges ist ähnlich wie bei der Hausfliege am ehesten als kugelförmig zu beschreiben.
 


Im Bild sieht man in der Mitte der linken Bildhälfte oberhalb der einzelnen Ommatidien einen Bereich des Gehirns, nämlich einen Teil der sogenannten Lamina.

Diese stellt den ersten von drei optischen Loben dar, die für die Bildverarbeitung im Gehirn verantwortlich sind. Am oberen rechten Rand der Ommatidienkette sind weißlich mit roten Zellkernen einige Fettzellen zu sehen, rechts am oberen Bildrand einige quergeschnittene Muskeln, die vermutlich zu den Mundwerkzeugen führen.

Die einzelnen Linsen sind mit offenbar sehr hartem Material in ihrer Stellung im Komplexauge fixiert, denn der Schnitt durch diese Region des Auges erwies sich als ausgesprochen schwierig. An dieser Stelle gab es immer wieder Abrisse in den Schnitten und sogar Scharten im Mikrotommesser. Der Durchmesser der Linsen ist beachtlich klein: Er beträgt nur ca. 25 mµ. Zum sinnfälligen Vergleich habe ich den von der Fassung freien Durchmesser der vordersten Linse einer alten Leitz 100er Ölimmersion gemessen: er ist mit etwa 1150 mµ 46 mal größer als der der Mückenlinse.

Im nächsten Bild sind drei Ommatidien vergrößert abgebildet. Unterhalb der im wesentlichen rot gefärbten Linsen schließen sich Kristallzellen – gut lichtdurchlässige Zellen - als Teil des optischen Apparates an, die im Bild nur schwer, blassblau gefärbt, zu erkennen sind.
 

Von diesen Zellen fallen vor allem die Zellkerne direkt unterhalb der Linsen auf; sie sind  jedoch nur aufgrund der Färbung zu sehen. Ein Querschnitt durch die Ommatidien würde zeigen, dass sich unter jeder Linse vier in der Achse des Strahlengangs angeordnete Kristallzellen befinden. Je eine Trennwand zwischen den Kristallzellen ist in den beiden linken Ommatidien als etwas stärker gefärbte senkrechte Linie zu sehen.

Unmittelbar im Anschluss an die Kristallzellen finden sich die eigentlichen Organe der Photorezeption, die sogenannten Rhabdomere. Sie sind im Präparat stark blau gefärbt. Sie bestehen im wesentlichen aus Mikrovilli – also feinen Härchensäumen - mit Lichtleitereigenschaften, die als Organe der Phototransduktion Lichtreize in entsprechende elektrische, durch das Gehirn zu verarbeitende Ströme verwandeln. Die feinen Härchen der Mikrovilli selbst sind nicht zu erkennen, da sie sich dem Auflösungsvermögen


des Lichtmikroskops entziehen. Mehrere Rhabdomere sind in jedem Ommatidium zu einem sogenannten Rhabdom zusammengefasst.

Alle Ommatidien sind im oberen Bereich gegen die Nachbarommatidien mit Pigmenten optisch abgeschirmt, die im Präparat bräunlich schwärzlich, zum Teil als Konglomerat zu sehen sind. Die Pigmente trennen insbesondere die Linsen und die anschließenden Kristallzellen optisch voneinander, aber auch die einzelnen Rhabdome. Darüber hinaus bilden die Pigmente oberhalb der Rhabdome eine Lochblende, mit der verschiedene Lichtstrahlen vergleichbar der Blende bei der Kamera ausgeblendet werden.

Eine überschlägige Schätzung der Zahl der Ommatidien ergab für meine Mückenart weniger als 700 pro Komplexauge, eine vergleichsweise geringe Zahl: Die Hausfliege besitzt ca. 4.000 und die Libelle ca. 28.000 Ommatidien pro Komplexauge (Seifert (2) Seite 144). Für den Mückenkopf kommt von vorneherein nur eine geringere Zahl in Betracht als bei den genannten Insekten, da der Durchmesser des Mückenkopfes erheblich kleiner ist als bei jenen Tieren und die Größe der Ommatidien aus optischen Gründen nicht entsprechend verkleinert werden kann. Dies zeigt eine einfache Überlegung: Wenn die Mücke pro Komplexauge genauso viele Ommatidien besitzen soll, wie die Hausfliege oder gar die Libelle, müsste ihre Anzahl von 700 mit dem Faktor ca. 5,7 bzw. 40 multipliziert werden. Wenn dabei die Kopfform nicht vergrößert werden soll, muss sich zum Ausgleich der Durchmesser der Linsen verringern. Die Linsen sind in sechseckige Formen eingebettet. Die Seitenlänge dieser Sechsecke habe ich für die hier untersuchte Mücke mit 14,5 mµ ermittelt und bin bei meiner Berechnung vereinfachend von gleichen regulären Sechsecken für das gesamte Auge ausgegangen. Es ergibt sich dann rechnerisch, dass die Seitenlänge dieses Sechsecks bei einer Mücke mit 4000 Ommatidien auf etwa 6 µm und bei einer Mücke mit 28.000 Ommatidien auf etwa 2,3 µm  reduziert werden müsste, wenn die Kopfform erhalten bleiben soll. Selbst wenn die Linse wie ein Innenkreis unmittelbar an die Kanten des Sechsecks anstoßen würden, würde der Durchmesser der Linsen dann nur ca. 10,4 µm bzw. ca. 4 µm betragen. Beim letztgenannten Wert würde die erhoffte Auflösungsverbesserung durch Beugungserscheinungen spätestens an der Stelle, an der die Pigmente die Lochblende bilden, zunichte gemacht werden. In jedem Fall würde die ausnutzbare Lichtmenge, die auf die einzelnen Rhabdomere fallen würde, stark verringert, wenn Rhabdomere mit den entsprechenden Mikromaßen überhaupt denkbar wären.  Es wird sich im Abschnitt „neuronale Verschaltung“ zeigen, dass die Evolution aber schon bei den tatsächlich bestehenden Augenmaßen der Mücke einen Weg suchen musste, um die ausnutzbare Lichtmenge zu vergrößern und so die Sehfähigkeit im Dunkeln zu verbessern. 

Die relativ kleine Zahl der Ommatidien hat natürlich Auswirkungen auf das Auflösungsvermögen des Mückenauges. Es ist wesentlich bestimmt durch den Divergenzwinkel als dem Winkel, den die Sehachsen der einzelnen Ommatidien zueinander bilden. Aus dem ersten Querschnittsbild habe ich für das hier beschriebene Mückenauge graphisch überschlägig den Divergenzwinkel an dieser Stelle des Auges aus dem Gesamtwinkel aller abgebildeten Ommatidien mit ca. 7 ° ermittelt. Für die Komplexaugen von Insekten wird im Mittel ein Divergenzwinkel von 1° bis 3° angegeben ( Dettner (1) S.330). Die untersuchte Mücke verfügt also insoweit nicht über ein besonders leistungsfähiges Komplexauge.