Adaptation
Die
hier untersuchten Mückenaugen empfangen ihre visuellen Eindrücke
offensichtlich unter sehr unterschiedlichen Lichtverhältnissen. Darauf weist
schon die Schwarmzeit zwischen der Sonnenuntergangs-Dämmerung und nahezu
völliger Dunkelheit hin. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie sich das
Mückenauge an veränderte Lichtverhältnisse anpasst.
Zum Insektenauge wird allgemein eine Form der chemischen Adaptation
beschrieben. In allen Insektenaugen beginnt in den Rhabdomeren der Prozess
der Phototransduktion. Dort befindet sich der Sehfarbstoff Rhodopsin, der
stofflich dem Rhodopsin der Wirbeltiere ähnelt. Trifft ein Lichtphoton auf
diesen Farbstoff, ändert er seine Konformation und wird zum Metarhodopsin,
das katalytisch die Reaktionskette in Gang setzt, durch die der Lichteinfall
zu einer elektrische Erregung führt. Das Rhodopsin würde sich also durch den
Lichteinfall und die Umwandlung in Metarhodopsin verbrauchen, wenn nicht
auch das Metarhodopsin lichtempfindlich wäre und durch die Lichtphotonen
wieder in das Rhodopsin zurückgeführt würde. Zum Insekt Drosophila ist
untersucht, dass Rhodopsin vorzugsweise bei einer Wellenlänge des Lichtes
von 480 nm in Metarhodopsin verwandelt wird, während die Rückverwandlung von
Metarhodopsin in Rhodopsin vorzugsweise bei Licht von einer Wellenlänge von
580 nm geschieht. Dieser Prozess wird als Photoregeneration bezeichnet. Die
Mengen von Rhodopsin und Metarhodopsin befinden sich in einem chemischen
Gleichgewicht, da im normalen Tageslicht Licht verschiedenster Wellenlängen
enthalten ist. Das chemische Gleichgewicht verschiebt sich bei Helligkeit
zulasten des Rhodopsin und bei Dunkelheit zulasten des Metarhodopsin. Schon
hierin liegt eine gewisse Adaptation des Insektenauges an veränderte
Helligkeiten und die damit einhergehenden Verschiebungen des
Wellenlängenspektrums. (Dettner (1) S. 321 f)
Im Folgenden geht es jedoch um morphologische Unterschiede zwischen dem
helladaptierten und dem dunkeladaptierten Mückenauge. Die nebenstehenden
Bilder zeigen jeweils einen Längsschnitt durch Ommatidien von zwei Mücken.
Beide Mücken wurden in der Dämmerung aus dem Schwarm gefangen und sodann
etwa zwei Stunden in völliger Dunkelheit belassen. Die eine Mücke wurde
hiernach sofort fixiert, die zweite hingegen zuvor eine Stunde mit einer
Schreibtischleuchtstoffröhre beleuchtet und sodann fixiert.
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Das erste Bild zeigt Ommatidien der im Dunkeln belassenen Mücke, das
zweite Bild hingegen Ommatidien der beleuchteten Mücke. Im Vergleich
fällt folgendes auf:
Bei den zuerst abgebildeten Ommatidien befinden sich keine Pigmente
zwischen der Linse, dem Kristallkegel und dem Rhabdom. Der Abstand
zwischen den Linsen und dem Rhabdom ist sehr klein.
Bei den darunter abgebildeten Ommatidien hat sich hingegen zwischen
Kristallkegel und Rhabdom eine Lochblende aus Pigmenten gebildet, die
den Lichtfluss fast nur noch auf das zentral gelegene Rhabdomer
zuzulassen scheint. Die Rhabdome sind in Richtung der Körpermitte
verschoben; dementsprechend ergibt sich eine größere Distanz zwischen
der Linse und den Rhabdomeren. Die Ommatidien scheinen wesentlich
stärker pigmentiert zu sein als beim vorher abgebildeten Augenschnitt.
Das mittlere obere Rhabdomer steht nunmehr offenbar weiter in Richtung
der Linse vor als die übrigen Rhabdomere.
Weitere Versuche unter den gleichen Bedingungen, aber mit veränderten
Beleuchtungszeiten ergaben, dass Veränderungen bereits nach 20 minütiger
Beleuchtung mit der Lampe deutlich erkennbar einsetzten. |
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Die optischen Auswirkungen der gezeigten morphologischen Veränderungen sind
offensichtlich. Bei Helligkeit wird die Menge des einfallenden Lichtes
durch eine Blende reduziert. Die Bildung der Lochblende aus Pigmenten
ist insoweit funktionell der Pupillenreaktion des menschlichen Auges
oder der Kamerablende vergleichbar. Zusätzlich wird die Lichtmenge des
durch die Rhabdomere ausgewerteten Lichtes durch ihre Entfernung von der
Linse gesteuert. Das nebenstehende Bild zeigt einen Querschnitt durch
ein Ommatidium in Höhe der Pigmentpupille. |
Sobald das Auge in vollem Umfang an eine helle Umgebung angepasst ist,
scheint sogar nur noch das zentrale Rhabdomer beleuchtet zu werden. Eine
Erklärung hierfür könnte darin liegen, dass im zentralen Rhabdomer ein
weniger lichtempfindliches Rhodopsin eingelagert ist als in den außen
liegenden Rhabdomeren. Wäre diese Erscheinung, wie sie für das neuronale
Superpositionsauge allgemein von Dettner (1) S.334 beschrieben wird, auch
für die hier untersuchte Mücke zutreffend, würde die dargestellte
Pupillenreaktion dafür sorgen, dass bei Helligkeit nur die
lichtunempfindlicheren, zentralen Rhabdomere genutzt werden, bei Dunkelheit
hingegen auch die lichtempfindlicheren, außen gelegenen Rhabdomere.
Gleichzeitig bietet sich hier ein Erklärungsversuch dafür an, warum bei der
untersuchten Mücke die Rhabdomere kreisförmig und nicht wie bei der
Hausfliege in der oben geschilderten Weise angeordnet sind: Die Hausfliege
regelt die Anpassung ihrer Augen an hellere Lichtverhältnisse durch eine
Anlagerung von lichtschluckenden Pigmenten an die Rhabdomere und nicht durch
eine Pigmentpupille. Bei der Hausfliege ist also nicht erforderlich, die
außen gelegenen Rhabdomere auszuschalten, weil hier die Lichtempfindlichkeit
sämtlicher Rhabdomere durch bei den Rhabdomeren selbst angelagerten
Pigmenten verändert werden kann. Bei der Mücke hingegen wird die
Lichtempfindlichkeit aller außen gelegenen Rhabdomere durch die
Pigmentpupille gesteuert, was nur möglich ist, wenn sie alle in
vergleichbarer Position zur Pupille, also kreisförmig um ein Zentrum
angeordnet sind.
Der Fokus der abgeblendeten Linse dürfte vermutlich annähernd an der Stelle
zu suchen sein, an der sich das zur Linse zeigende Ende des zentralen
Rhabdomers beim helladaptierten Auge befindet. Allerdings ist dann im
Hinblick auf die differenzierten Rhabdomere eigenartig, dass sich das
Rhabdom bei abnehmender Helligkeit in Richtung Linse verschiebt. Denn wenn
die Trennung der Rhabdomere den Zweck hat, dass das Rhabdom ein Bild
auszuwerten kann, dann müssten sich die Spitzen der Rhabdomere an einer
Stelle befinden, an der die Linse ein Bild entwirft. Dieses Bild kann aber
nicht scharf an einer Stelle entstehen, die sich zwischen dem Fokus der
Linse und der Linse selbst befindet.
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Land et al. (4) haben ebenfalls für verschiedene Mücken eine
Pupillenreaktion und eine Verschiebung des Rhabdoms unter veränderten
Helligkeiten festgestellt. Sie vermuten, dass das Rhabdom bei
zunehmender Dunkelheit in Richtung der Linse verschoben wird, weil mit
der Ausnutzung der gesamten, nicht abgeblendeten Linse die Linsenfehler
der Ommatidienlinse zunehmen dürften. Die von den Rändern der Linsen
gebrochenen Lichtstrahlen würden daher nach Öffnung der Pigmentblende
nicht im idealen Fokus der abgeblendeten Linse gebündelt, sondern an
einem Punkt, der sich näher an der Linse befindet. Aus diesem Grunde sei
die Stelle der größten Lichtmenge beim dunkeladaptierten Auge nicht an
der gleichen Stelle zu suchen wie beim helladaptierten Auge, sondern an
einer linsennäheren Stelle. Dorthin bewege sich das Rhabdom. (Land (4) S
95). Die nebenstehende, durchaus schematische Zeichnung veranschaulicht
den von Land et al. geschilderten Sachverhalt für parallel einfallendes
Licht. |
Die
Untersuchungen von Land et al. betreffen allerdings im wesentlichen Mücken,
die nicht über ein differenziertes Rhabdom aus voneinander getrennten
Rhabdomeren verfügen. Bei diesen Mücken kommt es nicht darauf an, dass die
Linse ein Bild auf das Rhabdom entwirft, weil bei ihnen das Rhabdom ohnehin
nicht zur differenzierten Bildauswertung befähigt ist. Die hier untersuchte
Mücke verfügt hingegen offenkundig über ein unterteiltes Rhabdom, dass daher
einfallendes Licht differenziert auswerten kann. Es fragt sich deshalb,
welchen Vorteil dieses spezialisierte Rhabdom bringen soll, wenn es sich an
einer Stelle befindet, die kein Bild bieten kann, sondern allenfalls
weiträumig überlappende Helligkeitsflecke.
Der genaue Sachverhalt könnte eventuell näher geklärt werden, indem der
Ablauf der Adaptation in seinen einzelnen Schritten im Verhältnis zur
eintretenden Dunkelheit näher untersucht wird. Möglicherweise öffnet sich
zunächst die Pupille in der Dämmerung, damit die Mücke über die ringförmig
angeordneten und neuronal verschalteten Rhabdome die Lichtmenge optimal im
Sinne einer Bildauswertung ausnutzen kann. Erst in einem weiteren Schritt,
bei zunehmender Dunkelheit, könnte dann das Rhabdom in Richtung der Linse
wandern, damit das verbliebene Restlicht möglichst gut an der hellsten
Stelle hinter der Linse – wenn auch auf Kosten einer differenzierten Sicht -
aufgefangen kann.
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Das nebenstehende Bild könnte ein derartiges Zwischenstadium zeigen. Es
stammt von einer Mücke, die vom Dunkeln ins Helle gebracht worden ist.
Die Mücke wurde nach einem zweistündigen Aufenthalt im Dunkeln 20
Minuten mit einer Schreibtischleuchtstoffröhre beleuchtet worden. Das
Rhabdom ist bereits erheblich nach unten gewandert, ohne dass sich die
Pigmentblende geschlossen hat. Ähnlich könnte auch der Vorgang in
umgekehrter Richtung ablaufen, wenn es am Abend dämmert.
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