Balgengerät

Ein einfaches Makroskop ließe sich mit starren Zwischenringen, wie sie für Kameras angeboten werden, oder sogar mit einem Aluminiumrohr aus dem Baumarkt aufbauen. Neben dem Verlust an Flexibilität, muss man sich dann aber mehr Gedanken über die Mechanik machen. Ein Balgengerät ist einfach zu montieren und besitzt Triebknöpfe, die eine genaue Fokussierung ermöglichen.

Das Balgengerät erlaubt die kontinuierliche Variation des Abstandes von Objektiv und Zwischenbildebene (Bildweite b) und damit des Abbildungsmaßstabs. Da sich der Abbildungsmaßstab sehr einfach durch den Quotienten (b-f)/f berechnen lässt, wobei f die Brennweite des Objektivs bezeichnet, definiert man die Größe b-f als Auszugsverlängerung und gibt sie auf den Skalen der Balgengeräte an. Es ist die Länge, um die das Kamerasystem zwischen Objektiv und Filmebene durch das Balgengerät verlängert wird, denn ohne Balgengerät liegt die Filmebene in der hinteren Fokusebene. Die Lage des Zwischenbildes im Makroskop stimmt in der Regel nicht mit dieser Film- oder Chipebene überein. Deshalb muss zu dem Skalenwert, den man am  Balgengerät abliest, eine Korrektur addiert werden. Erst dies ergibt die tatsächliche Auszugsverlängerung. Den Korrekturwert ermittelt man am besten experimentell (siehe Abschnitt zum Abbildungsmaßstab).
 

Balgengeräte unterscheiden sich stark in der Konstruktion des Einstellschlittens. Im Bild rechts ist ein Balgengerät von Pentax gezeigt, das nur über einen einfachen Schlitten verfügt. Zwar kann das kameraseitige Ende auf dem Schlitten verschoben und geklemmt werden (Hebel auf der nicht abgebildeten Rückseite) und auch der ganze Balgen ist ohne Veränderung seiner Länge verschieb- und klemmbar (kleiner Knopf rechts im Bild), aber es existiert nur ein echter Triebknopf (der große untere Knopf im Bild) für die Auszugsverlängerung. Will man ihn zur Scharfeinstellung verwenden, verändert man gleichzeitig zwangsläufig den Abbildungsmaßstab. Selbst wenn die betrachteten Motive eine geringe Tiefe aufweisen und die Veränderung des Maßstabs sich visuell nicht unangenehm bemerkbar macht, ist doch der Effekt für die Fotografie unerwünscht. Das gilt insbesondere, wenn man zu Dokumentationszwecken mit einem definierten Maßstab arbeiten will, oder wenn man mehrere Fokusebenen (Z-Stapel) zu einem scharfen Bild kombinieren will (siehe entsprechender Abschnitt zur Verarbeitung von Z-Stapeln beim Stereomikroskop). Als Nachteil kommt hinzu, dass beim Wechsel zwischen Motiven stark unterschiedlicher Tiefe ein vertikales Verschieben des Balgengerätes samt Tubus, Objektiv und Kamera notwendig wird, was ohne einen Trieb mit Untersetzung einige Kraft erfordert und kaum exakt durchführbar ist.
 

  Balgengerät von Pentax
Novoflex-Balgengerät  

Ich empfehle deshalb ausdrücklich die neueren Balgengeräte mit Doppelschlitten, wie das links gezeigte Gerät des Herstellers Novoflex. Der eine Triebknopf ermöglicht die stufenlose Veränderung der Auszugs, der andere verschiebt den ganzen Balgen und mit ihm das gesamte Makroskop.

Bei dem abgebildeten Novoflex-Balgengerät handelt es sich um ein so genanntes Automatik-Balgengerät, bei dem die Bedienung der Blende von der Kamera zum Objektiv übertragen wird. Wie man es von der Spiegelreflexkamera gewohnt ist, sieht man unabhängig von der Blendenvorwahl ein helles Sucherbild. Erst mit dem Auslösen der Kamera wird die Blende im Objektiv für die Dauer der Aufnahme geschlossen (Springblende). Leider kann man den Mechanismus bei einem Photomakroskop nicht nutzen, denn auf das Balgengerät wird nicht unmittelbar die Kamera, sondern ein gewöhnlicher Mikroskoptubus aufgesetzt. Damit ist die Steuerung durch die Kamera unterbrochen. Man muss sogar einen kleinen Zusatzaufwand erbringen, soll ein Objektiv am Balgengerät abblendbar sein. Mittels eines kleinen gefederten Hebels an der drehbar gelagerten Stange, welche die Blende am Objektiv bedient, wird verhindert, dass dessen Blende stets offen steht.

Bei gewöhnlichen Objektiven in Retrostellung, bei der die Frontlinse des Objektivs zum Balgengerät gerichtet ist, (siehe Abschnitt zu Objektiven) ist diese Maßnahme nicht erforderlich, weil sie nicht durch die Automatik bedient werden können.

Wegen dieser Schwierigkeit ist es bei den hier vorgestellten Geräten in den meisten Fällen erforderlich, vor der Aufnahme manuell am Blendenring abzublenden und anschließend wieder aufzublenden, weil sonst entweder das visuelle Bild zu dunkel oder die Schärfentiefe unnötig gering ist. Auf den ersten Blick scheint dies ein Nachteil im Vergleich zur Fotografie am Stereomikroskop zu sein. Man sollte aber bedenken, dass die preisgünstigeren Stereomikroskope überhaupt keine Veränderung der Apertur erlauben. Wer damit zufrieden ist, kann auch am Makroskop eine feste „Kompromissblende“ einstellen, die sowohl visuelle Beobachtung ermöglicht, als auch für die Fotografie verwendet wird. Dann ist man jedoch eines wesentlichen Hilfsmittels zur Beeinflussung von Schärfentiefe und Auflösung beraubt.

Ein Ausweg aus dem Dilemma ist ein Balgengerät, an dessen Objektivbajonett man einen Drahtauslöser anschließen kann. Ein doppelter Drahtauslöser erlaubt, gleichzeitig die Kamera auszulösen und die Springblende am Balgengerät zu bedienen. Man muss dann freilich auch eine geeignete Kamera mit ISO-Auslösebuchse verwenden. Bei Digitalkameras, wie der Coolpix 990 wäre der Bau eines doppelten Auslösers nur mit großem Aufwand möglich.

Weil ein Balgengerät einen bestimmten Kameraanschluss besitzt, wird man sich beim Kauf von den vorhandenen Objektiven leiten lassen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es in vielen Fällen passende Adapter gibt und dass bei Montage des Objektivs in Retrostellung das Filtergewinde die Rolle des Kameraanschlusses übernimmt, so dass man unabhängig vom Kameratyp wird.

Falls man ein Balgengerät zum Bau eines Makroskops erwirbt, sollte man sich den kameraseitigen Anschluss daraufhin anschauen, ob sich leicht ein Adapter dafür herstellen lässt. Bei dem gezeigten Pentax-Gerät lässt sich ein Einsatz mit einfacher mechanischer Schnittstelle herausnehmen, der den eigentlichen Flansch trägt. Dies erleichtert die Adaption. Anderseits ist der Adapter immer eine spezielle Anfertigung, die sich den Gegebenheiten anpassen muss und nicht die Eigenschaften des Makroskops bestimmen sollte.