Objektive
Das Objektiv ist die wesentliche optische Komponente des Makroskops und
deshalb lohnt es sich, ihm besondere Beachtung zu schenken. Anderseits ist
schon so viel darüber geschrieben worden, dass ich mich auf wenige
Bemerkungen beschränken will. Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie
wollen ganz einfach vorhandene Objektive wieder verwenden können.
Am Makroskop können unterschiedlichste Typen von Objektiven verwendet
werden. Hervorheben will ich die nachfolgend beschriebenen Klassen.
Lupenobjektive
Lupenobjektive sind Objektive meist kürzerer Brennweite, die einen sehr
hohen Abbildungsmaßstab ermöglichen. Sie können mittels Adapter am
Balgengerät angesetzt werden und belichten dann direkt den Film. Es ist auch
möglich, sie in ein Objektivgewinde eines Mikroskops (RMSS-Gewinde,
W0,8’’x1/36’’) einzuschrauben. Im Gegensatz zu anderen Mikroskopobjektiven
besitzen sie eine Irisblende und sind deshalb im höheren Maße für die
Fotografie geeignet, als diese. Weil Lupenobjektive auf große
Abbildungsmaßstäbe und geringe Gegenstandsweiten korrigiert sind,
sind sie die erste Wahl für ein Makroskop. Lupenobjektive werden etwa von
Zeiss unter dem Markennamen "Luminar" und von Leitz unter dem Namen "Photar"
vertrieben. Gegen die Verwendung von Lupenobjektiven am selbst gebauten Makroskop spricht
eigentlich nur eines, nämlich ihr hoher Preis.
Mikroskopobjektive
Gemeint sind hier nicht die eben beschriebenen Lupenobjektive, sondern
"normale" Mikroskopobjektive ohne Irisblende. Will man sie verwenden, so
sollte man sich auf Objektive beschränken, die laut Gravur einen
Abbildungsmaßstab von maximal etwa 10:1 aufweisen. Der angegebene
Abbildungsmaßstab bezieht sich auf die Geometrie des Mikroskops mit seiner
festen Gegenstands- und Bildweite. Bei Mikroskopobjektiven mit höherem
Abbildungsmaßstab wachsen schnell die Aberrationen an, wenn man sich nicht
an die vorgesehenen Weiten hält. Außerdem wird der Arbeitsabstand so gering,
dass man nur noch streifend oder im Durchlicht beleuchten kann. Um die
visuelle Vergrößerung des Makroskops und den Abbildungsmaßstab in der
Zwischenbildebene zu bestimmen, benötigt man die Brennweite des Objektivs.
Hinweise zur Bestimmung der Brennweite finden Sie auf der
Seite zum Abbildungsmaßstab und
Vergrößerung, sowie in einer
Notiz. Zur Montage des
Mikroskopobjektivs kann man einen Adapterring für Lupenobjektive verwenden.
Auch eine Montage in einem Gehäusedeckel, der zum Balgengerät passt, ist
einfach machbar. Diese Möglichkeit wird weiter unten für die Adaption eines
Vergrößerungsobjektivs vorgestellt.
Hinweis: Herr
Thomas Böder hat ein Mikroskopobjektiv an ein Balgengerät
montiert. Da es keine Irisblende besitzt, hat er zur Erhöhung der
Schärfentiefe eine feste Blende hinter das Objektiv gesetzt.
Makroobjektive
Makroobjektive sind für einen geringen Objektabstand korrigiert, was einen
hohen Abbildungsmaßstab ermöglicht. Vor dem Kauf sollte man versuchen,
herauszubekommen, bis zu welchem Abbildungsmaßstab das Makroobjektiv
sinnvoll verwendet werden kann.
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Häufig wird bei Objektiven eine Naheinstellgrenze angegeben.
Diese Größe definiert die geringstmögliche (fokussierbare) Gegenstandsweite.
Sie sagt aber nichts über die Korrekturen aus.
Balgenköpfe
Ein Balgenkopf ist ein Makroobjektiv, das speziell für den Gebrauch am
Balgengerät mit seinen typischen Auszugsverlängerungen optimiert ist.
Links ist ein Balgenkopf des Herstellers Novoflex mit einer Brennweite
von 105mm am Novoflex-Balgengerät zu sehen. Die hohe Brennweite ergibt selbst
im Zusammenspiel mit den
Zeiss-Tuben und ihrer hohen zusätzlichen Auszugsverlängerung
vergleichsweise geringe Abbildungsmaßstäbe. |
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Normalobjektive
Hierunter seien Objektive verstanden, deren Blickwinkel etwa dem Blickwinkel
des menschlichen Auges entspricht. Ihre Brennweite liegt deshalb bei 50mm.
Da sie auf unendliche Entfernung korrigiert sind, eignen sie sich zunächst
nicht gut für das Makroskop. Eine gute Abbildungsqualität kann mit ihnen nur
erreicht werden, wenn die Gegenstandsweite groß ist und die Bildweite
folglich nur wenig
über der Brennweite liegt. Man kann aber ausnützen, dass in einem passiven
Gebilde aus Glas die Lichtwege umkehrbar sind. Ersetzt man in Gedanken einen
Punkt in der Filmebene einer Kamera durch einen leuchtenden Punkt, so
entsteht in weiter Entfernung vor dem Objektiv ein reelles Bild, mit dem man
einen Film belichten könnte. Objekt und reelles Bild haben ihre Rollen
vertauscht und die Abbildung ist gut korrigiert. Diese Anordnung ist nichts
anderes als eine Makrokamera, denn die Bildweite ist groß und die
Gegenstandsweite klein. Es ist nun nur noch ein kleiner Schritt zu der Idee,
an einer Makrokamera oder einem Makroskop das
Objektiv umzudrehen, so dass die Frontlinse zum Balgengerät zeigt. Bei dieser "Retrostellung"
entsteht genau der Strahlengang des Gedankenexperimentes mit dem leuchtenden
Objekt vor der Rückseite des Objektivs. Die hohe Abbildungsqualität eines Lupenobjektivs oder
Balgenkopfes wird man dennoch nicht erreichen, denn die Bildweiten innerhalb
des Makroskops sind immer noch viel kleiner als die Gegenstandsweiten, für
die das Normalobjektiv eine gute Korrektur besitzt. Man müsste schon die
Auszugsverlängerung auf einen halben Meter erhöhen, was wiederum riesige
Abbildungsmaßstäbe zur Folge hätte.
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Zur Realisierung der Retrostellung benötigt man einen Umkehrring, der
auf einer Seite einen objektivseitigen Anschluss aufweist und damit am
Kameraflansch des Balgengerätes befestigt werden kann. Auf der anderen
Seite kann das Objektiv mit seinem Filtergewinde angeschraubt werden
(siehe Bild rechts). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass damit das
Filtergewinde zur mechanischen Schnittstelle des Objektivs wird, was
die Anbringung von Objektiven unterschiedlichster Hersteller ermöglicht.
Man muss lediglich darauf achten, dass der Umkehrring zum Durchmesser
des Filtergewindes passt.
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Vergrößerungsobjektive
Martin Sigrist und Erwin Stegmann weisen in Ihrem Buch „MAKRO Fotoschule“
darauf hin, dass sich Vergrößerungsobjektive aus Vergrößerungsgeräten wegen ihres
symmetrischen Aufbaus und ihrer auf den Nahbereich korrigierten Optik gut als Makroobjektive eignen.
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Aus dem bereits
erwähnten uralten Vergrößerungsgerät, dessen Stativ für das Makroskop
recycelt wurde, habe ich das Objektiv (Enna-Werk, f=60mm, 1:4,5) gerettet.
Vergrößerungsobjektive sind mit
einem Gewinde ausgestattet und daher leicht montierbar. Dabei nütze ich
aus, dass man einen zum Typ des Balgengerätes passenden Gehäusedeckel
auf seinen Kameraflansch aufsetzen kann. Ein Gehäusedeckel für Canon FD
passt deshalb an mein Novoflex-Balgengerät. Nun muss man nur noch ein
kreisrundes Loch in den Gehäusedeckel sägen und das Objektiv
einschrauben. Das Bild unten zeigt den bearbeiteten Gehäusedeckel, das
Bild rechts das Billigstobjektiv am Makroskop.
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Auch wenn das Metall des Objektivs reichlich korrodiert ist, funktioniert
die Optik noch einwandfrei, so dass die Anordnung recht anständige
Bilder macht. |
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Durch diesen
Erfolg ermutigt, habe ich mir recht günstig ein lichtstärkeres Vergrößerungsobjektiv
von Nikon (EL-NIKKOR f=50mm, 1:2,8) ersteigert. Es besitzt ein M39
Gewinde und kann deshalb wieder sehr einfach in einen Gehäusedeckel
eingepasst werden. Links ist das fertig montierte Objektiv zu sehen. Mit
seinen optischen Eigenschaften bin ich äußerst zufrieden.
Die beiden letzten Beispiele sollen deutlich machen, dass es nicht unbedingt ein
Lupenobjektiv sein muss und es vielmehr eine weite Spielwiese für Basteleien gibt.
Ich habe etwa ein Objektiv eines Diaprojektors (f=80mm) in Retrostellung
provisorisch am Balgen befestigt und war über die hohe visuelle Qualität
überrascht. Empfehlen kann ich die Anordnung dennoch nicht, weil so ein Objektiv nicht
über eine Irisblende verfügt.
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Weitere Hinweise
Herr Klaus Henkel beschreibt auf der Homepage der Mikrobiologischen
Vereinigung München in einem Beitrag mit dem Titel "Echte
Makroaufnahmen mit dem Telezoom" ein Zoomobjektiv der Firma Canon, das in Retrostellung hervorragende Makroaufnahmen ermöglichen
soll. Gewöhnliche
Objektive mit variabler Brennweite sind jedoch gegenüber solchen mit Festbrennweite
nicht zu bevorzugen. Sie eignen sich weder besonders gut für die Retrostellung
noch lassen sie sich einfach bedienen. Ich habe
außerdem schon erlebt,
dass sich die Brennweiteneinstellung unter dem Eigengewicht des Objektivs
wie von Geisterhand selbst verstellt. Nützt man den zusätzlichen
Freiheitsgrad der Brennweite, muss man oft den Arbeitsabstand
korrigieren. Damit die Arbeitsweise nicht chaotisch wird, muss man sehr
diszipliniert vorgehen.
Alle besprochenen Objektive mit Ausnahme der Normalobjektive besitzen keine
Entfernungseinstellung und müssen daher über Verschiebung des Makroskops
oder über Veränderung der Auszugsverlängerung fokussiert werden. Die
Entfernungseinstellung des Normalobjektiv erlaubt eine sehr genaue
Fokussierung, die jedoch in Retrostellung versagt.
Die meisten der hier vorgestellten Bilder sind mit einem 50mm-Normalobjektiv
in Retrostellung aufgenommen worden. Übersichtsbilder mit niedrigem
Abbildungsmaßstab nehme ich mit dem Balgenkopf (Brennweite 105mm) auf. |