Gebrauch der Blende
Auf die Bedeutung der Blende für die Fotografie am Photomakroskop wurde
bereits in der Einführung hingewiesen. Weil dieser Punkt von zentralem
Interesse gerade in der Makrofotografie ist, soll er an dieser Stelle näher
besprochen werden. Die numerische Apertur und die Auflösung bei visueller
Beobachtung sind weiterhin Gegenstand dieser Seite.
Geometrische
Schärfentiefe
Ein Objektiv bildet Punkte einer Gegenstandsebene in Punkte einer
Bildebene ab, wenn die Abbildungsgleichung (siehe Seite zum
Abbildungsmaßstab) erfüllt ist. Ein realer
Gegenstand liegt in der Regel nicht genau in einer Ebene, sondern besitzt eine
räumliche Tiefe. Punkte des Objektes, die außerhalb der Gegenstandsebene
liegen, werden vor oder hinter der Bildebene fokussiert. In der Bildebene,
die beim Makroskop als Zwischenbildebene mit dem Okular betrachtet wird,
erscheinen diese zu nahezu kreisförmigen Scheibchen aufgeweitet. Der
begrenzende Kreis wird als Zerstreuungskreis bezeichnet. Die überlappenden
Scheibchen führen in bestimmten Bildbereichen zu einem unscharfen
Bildeindruck, wenn ihre Durchmesser einen tolerierbaren Wert (u)
überschreiten. Umgekehrt erscheint das Objekt in seiner ganzen Tiefe scharf,
wenn dieser Wert nirgends überschritten wird.
Da man
den Durchmesser des Zerstreuungskreises auf das ganze betrachtete Bild
beziehen muss, wächst er mit dem Aufnahmeformat. Werte für u wurden für
verschiedenen Aufnahmeformate definiert, etwa 0,03mm für das
Kleinbildformat. Als Richtwert kann man 1/1000 der Breite des
Aufnahmeformats wählen. Bei der beschriebenen Anpassung der Kamera
Coolpix 990 über ein Okular des MBS-10 wird zum Beispiel bei einer
Brennweite der Kamera von 18mm ein Bereich des Zwischenbildes
aufgenommen, das eine Breite von 12mm besitzt. Da das gerade 1/3
der Breite des Kleinbildformates ist, darf der Durchmesser des
Zerstreuungskreises auch nur etwa 0,01mm betragen.
Neben der Tiefe des Objektes hängt der Wert u auch von der gewählten
Blende ab. Im Bild rechts liegt ein Objekt (blauer Pfeil) näher am
Brennpunkt, als die Gegenstandsebene. Er wird deshalb oberhalb der
betrachteten Zwischenbildebene fokussiert. Der Durchmesser des
Zerstreuungskreises in der Ebene des Zwischenbildes ist durch die Länge
der rot markierten Strecke in der Zwischenbildebene gegeben. Das Bild
zeigt alternierend zwei Blendeneinstellungen. Offensichtlich verkleinert
sich der Zerstreuungskreis beim Abblenden. Durch Abblenden kann man
deshalb die Schärfentiefe erhöhen. |
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Zur Illustration
ist links eine kleine Blüte (ca. 4mm breit) mit unterschiedlichen
Blenden aufgenommen. Die Blendenwerte
k = f/d
mit:
f = Brennweite
d = Durchmesser der Eintrittspupille
sind rechts unten im Bild angegeben. Besser aufgelöste Einzelbilder zu
diesem und einem weiteren Beispiel finden Sie
hier. |
Obwohl ich sehr für das pragmatische
Ausprobieren von verschiedenen Blenden plädiere, halte ich es doch für
nützlich, den Zusammenhang zwischen Blende und geometrischer Schärfentiefe
zu kennen. Die scharf dargestellte Tiefe eines Motivs, also seine
Schärfentiefe T ist gegeben durch:
Dabei bedeuten die Abkürzungen:
T = Abstand zwischen Fernpunkt (weitester scharf abgebildeter Punkt) und
Nahpunkt (nächster scharf abgebildeter Punkt). Fernpunkt und Nahpunkt liegen
jeweils t=T/2 von der Gegenstandsweite entfernt.
k = Blende
u = Durchmesser des Zerstreuungskreises
m = Abbildungsmaßstab
p = Pupillenmaßstab = Durchmesser der Austrittspupille/ Durchmesser der
Eintrittspupille
Dieser relativ einfache Ausdruck setzt voraus, dass der Abbildungsmaßstab m
groß im Vergleich zu k*u/f ist. Er ist deshalb nur für Makroaufnahmen
anwendbar.
Der Pupillenmaßstab kann grob gemessen werden. Dazu schließt man die Blende
des Objektivs leicht, so dass man ihren Rand gut erkennen kann, und
betrachtet das Objektiv aus einigem Abstand. Mit Hilfe einer Schieblehre misst
man den scheinbaren Durchmesser der Blende von beiden Seiten des Objektivs
und berechnet das Verhältnis der Werte. Bei den empfohlenen Makroobjektiven,
Balgenköpfen, Vergrößerungsobjektiven und den vielen Normalobjektiven
handelt es sich um symmetrische Objektive, so dass hier einfach p=1 gilt.
Sucht man zu einer gegebenen Tiefe die erforderliche Blende, so löst man
obige Formel nach k auf:
Unschärfe durch Beugung
Leider kann man das Problem geringer Schärfentiefe nicht generell durch
Abblenden lösen. Denn, je kleiner man die Öffnung macht, desto größer wird
die Unschärfe durch die Beugung an der Eintrittspupille, wie es bereits im
Abschnitt zur visuellen Beobachtung diskutiert
wurde. Setzt man den Ausdruck für die numerische Apertur
in die Formel für die Größe des Airyschen
Beugungsscheibchens in der Zwischenbildebene:
ein, so erhält man folgende Beziehungen:
und daher
Diese Ausdrücke beantworten die Frage, welche Größe das Beugungsscheibchen bei einer
gegebenen Blende annimmt, bzw., welche Blende man bei einer akzeptierten
Größe des Beugungsscheibchens wählen muss. Legt man das Rayleigh-Kriterium
zugrunde, dann gibt die erste Formel auch an, ab welchem Punktabstand im
Zwischenbild zwei inkohärent leuchtende Punkte trennbar sind. Die zweite
erlaubt eine Berechnung der zur Trennung erforderlichen Blende.
Förderliche Blende
Kurz zusammengefasst kann man
sagen, dass sich die Schärfentiefe zwar durch Abblenden beliebig vergrößern
lässt, aber die mit dem Blendenwert linear wachsenden Beugungsscheibchen ab
einem bestimmten Blendenwert zu einer Verschlechterung der gesamten Schärfe
führen.
Die so genannte
"förderliche Blende" ist ein Kompromiss, der einerseits die Unschärfe
in Folge der
Beugung auf ein erträgliches Maß begrenzt, anderseits eine relativ
hohe Schärfentiefe ermöglicht. Üblicherweise findet sich in der Literatur
folgende Formel für die förderliche Blende kf:
Dabei ist u wieder der noch zulässige Durchmesser des Zerstreuungskreises.
Man erkennt, dass man zu diesem Ausdruck gelangt, wenn man nach dem
Rayleigh-Kriterium den Abstand auflösbarer Punkte zu u wählt. Mit anderen
Worten: Zwei Punkte, die voneinander den Abstand des Durchmessers des
Zerstreuungskreises haben, liegen bei der förderlichen Blende an der Grenze
der Trennbarkeit. Damit sind bei der üblichen Festlegung des Wertes von u
ca. 1000 Punkte in der Bildbreite auflösbar, sofern sie in der Schärfeebene
liegen.
Die einzige logische Verknüpfung zwischen Beugung und Schärfentiefe besteht
in der Größe u. Der Blendenwert wird so groß gewählt, dass gerade die
Beugungseffekte noch nicht eklatant ins Auge fallen. Die Schärfentiefe ist
dann maximal im dem Sinne, dass eine weitere Erhöhung der Schärfentiefe (und
damit des Blendenwertes) das Bild in allen Teilen sichtbar verschlechtern
würde.
Die Berechnung lässt sich noch etwas vereinfachen, indem man für die
Wellenlänge λ=550nm einsetzt. Gibt man u in Millimetern an, so erhält man
gerundet:
Beispiele: Beim
Kleinbildformat und einem Abbildungsmaßstab von 1:1 (m=1) erhält man
eine förderliche Blende von etwa 22. Ist dagegen der Abbildungsmaßstab von
5:1 (m=5) ist der Blendenwert etwas unterhalb von 8.
Ich halte die Anwendung der förderlichen Blende in einigen Fällen für
suboptimal und betrachte sie primär als äußerste Grenze, über die hinaus
man nicht abblenden sollte. Dies sind die Gründe:
Der noch akzeptierte
Radius des Beugungsscheibchens wird als Durchmesser des Zerstreuungskreises
gewählt. Dies bedeutet, dass die Beugung bereits an der Grenze der
Erkennbarkeit liegt.
In Bildbereichen, bei
denen das Objekt auf Grund seiner Tiefe nicht exakt scharf abgebildet wird,
kommt zur Beugungsunschärfe noch der Zerstreuungskreis hinzu. In einem
einfachen Modell kann man davon ausgehen, dass sich die Radien des
Beugungsscheibchens und des Zerstreuungskreises addieren.
Die wirkliche Tiefe
des Objektes geht nicht in die Berechnung der förderlichen Blende ein. Es
wird deshalb kein Optimum für ein gegebenes Motiv bestimmt. Das kann man
sich leicht an einem Beispiel veranschaulichen: Ist das Motiv nahezu eben,
wie etwa eine geschliffene Steinoberfläche oder ein Farbdruck auf Papier, so
ist der Zerstreuungskreis in Folge der geringen Objekttiefe extrem klein.
Selbst mit weit geöffneter Blende kann man ein überall scharfes Bild
aufnehmen. Wählt man aber die förderliche Blende, so blendet man unnötig ab
und nimmt eine Reihe von Nachteilen in Kauf:
-
Die Beugungsunschärfe ist
so hoch, dass keine Ausschnittsvergrößerung mehr möglich ist.
-
Die Belichtungszeit
und damit die Gefahr des Verwackelns steigen unnötig.
- Das Signal/Rausch-Verhältnis
verschlechtert sich (Bildrauschen).
Aussagen, die förderliche Blende sei
ein Optimum hinsichtlich der Unschärfe durch Tiefe des Objektes und
Beugungsunschärfe, möge man vor diesem Hintergrund kritisch betrachten.
Ist es erwünscht, die Schärfentiefe zu erhöhen, besteht neben dem Abblenden
die Möglichkeit, mehrere Schärfeebenen aufzunehmen und zu einem scharfen
Bild zu kombinieren. Auf diese Möglichkeit wurde
bereits hingewiesen. Gerade bei einem
Makroskop mit seinem axialen Aufbau bietet sich diese Alternative an.
An einer Stelle bin
ich auf eine abweichende Berechnungsformel der förderlichen Blende gestoßen.
In dem Buch "Makro Fotografie" von Richard Hünecke und Thomas Maschke findet sich der Ausdruck:
Auch die Tabellen in diesem Buch sind so
kalkuliert. Ich halte den Vorfaktor 1000 für etwas besser geeignet, als den
üblichen Faktor. Joachim Inkmann hat mich darauf hingewiesen, dass der
Begriff der „förderlichen Blende“ aus dem Aufsatz „Die “förderliche Blende”
bei Makroaufnahmen“ von Hermann Eisenbeiss stammt (Zeitschrift:
International Photo Technik, 4, 1967, 296ff). Der Autor geht von einer
mittleren Wellenlänge von 600nm aus. Damit ergäbe sich ein Vorfaktor von
1366, der recht großzügig abgerundet wird. Vor dem Hintergrund der
heuristischen Ableitung der förderlichen Blende erscheint mir die Näherung
legitim.
Bei Einhaltung der förderlichen Blende muss man sich bei modernen
Digitalkameras meist wenig Gedanken darüber machen, ob die Kameraauflösung
ausreichend ist. Da man den Wert des Unschärfekreises zu etwa 1/1000 der
Breite des Aufnahmeformats definiert und
dies bei der förderlichen Blende der
Auflösung entspricht, benötigt man in der Breite ca. 2000 Pixel. Dann sind
nach dem Nyquist-Kriterium 1000 Punkte auflösbar. Viele Kameras werden noch
Auflösungsreserven übrig haben, die bei kleineren Blendenwerten
gegebenenfalls nutzbar sind.
Zur Frage nach einer optimalen Blende, die Beugung und Tiefe des Objekts
explizit berücksichtigt, habe ich eine kurze
Notiz geschrieben.
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